Angekommen im russischen Winter

Ein herzliches Danke an dieser Stelle für die vielen positivien Reaktionen auf meinen letzten Beitrag! Ich habe mich über alle Kommentare und persönlichen eMails gefreut, wenn auch ich letztere noch nicht alle persönlich beantwortet habe!

Im Flugzeug von Zürich nach Moskau sass eine Moskauerin mit Ihrem Mann direkt neben mir. Sie sah mein Buch mit dem Titel “In den Wäldern Sibirens” von Sylvain Tesson (Hier gehts zur Videodokumentation) welches ich zu ende lesen wollte. Sie fragte mich in bestem Englisch, ob ich nach Sibiren reisen würde? Ein lächeln huschte über meine Lippen als ich Ihre Frage bejahte. Sie glaubte Ihren Ohren nicht zu trauen… Es wäre sehr kalt dort, gab Sie zu bedenken. Und als sich im weiteren Gesprächsverlauf herausstellte, dass ich mit der Transsibirischen Eisenbahn dorthin reisen will, wurde ich mit allerhand Ratschlägen zugetextet. Diese waren etwa folgender Natur: Im Zug gibt es keine Duschen, und das willst du dir wirklich antun? Und in Irkutsk ist es derart kalt, dass der Baikalsee gefroren ist um diese Jahreszeit. Und die Züge seien Uralt und schmutzig und überhaupt, du alleine als FRAU?!? Gefährlich!  Bei solchen Aussagen kann ich mir die Gegenfrage nicht verkneifen und fragte Sie, ob Sie denn die Strecke zum Baikal schon mit dem Zug gefahren sei? Sie verneint. Das dauere viel zu lange, mit dem Zug dorthin zu fahren. Und überhaupt müsste ich im Sommer dorthin, dann sei es viel weniger kalt. Ich liess den Dialog mit dem Gleichmut eines Reisenden über mich ergehen und freute mich auf mein einmaliges Abenteuer.

Ob die “Ratschläge” nun gutgemeint oder einfach aus Besserwisserei entstanden sind, wird sich nie klären. Interessanterweise decken sich die Aussagen mit solchen aus der Heimat. Wo mir eine Bekannte kürzlich gesagt hat, dass die Russen das ignoranteste, lauteste und rücksichtsloseste Volk seien. Auch damals hatte ich nachgefragt, ob Sie denn selbst Russland bereist habe, dass Sie derart gut Bescheid wisse. Auch da stellte sich heraus, dass diese Person nie in Russland war und Ihre Ausführungen auf einen Strandurlaub am Mittelmeer zurückführte. Dort musste Sie wohl in der Hotelanlage in Kontakt mit Neureichen Russen und deren Nebenwirkungen gewesen sein. Ich erklärte Ihr dann das Phänomen “Neureiche Russen” und diese sich überall auf der Welt durch ihr ignorantes Auftreten negativ auffallen (ich meinerseits kenne solche Geschichten aus Thailand). Hiermit will ich sagen, ich über genügend Reise -und Lebenserfahrung verfüge, dass ich mir solche Geschichten mit einem Schmunzeln anhöre und meine Reise trotzdem antrete. Getreu meinem Motto: Wer es nicht ausprobiert, wird nicht Wissen wie es “in der anderen Welt” ist. 

Und so uneingenommen ich von einem Volk in aller Regel bin, so habe ich mich auf die Russen und das transsibirische Abenteuer gefreut und ich habe bis Heute wirklich nur gute Begegnungen und Erfahrungen zu verzeichen.

Etwas aufgeregt wartete ich viel zu früh bei -18 Grad Celsius am Bahnhof “Yaroslavski” in Moskau, dass der Transsibirische Zug bereitgestellt wurde. Endlich war dieser auf Gleis 3 eingetroffen und die Türen geöffnet. Es brauchte einiges, bis ich beim richtigen Wagen war und dort wurde vor dem einsteigen mein Pass und Ticket mit der Passagierliste von der Provodnica (Kondukteurin) skeptisch geprüft und schlussendlich für gut befunden, so dass ich an Bord des warmen Waggons gehen durfte. Da die Planmässige Abfahrt um 00.35h war, machte ich es mir alsbald auf meiner Liege bequem. Die erste Nacht hatte ich das ganze 4er Abteil für mich. In den nächsten Tagen kam dann und wann jemand dazu und stieg wieder aus. Ein reges kommen und gehen. Allerdings so ruhig, dass ich bei Nacht nichtmal etwas vom “Passagierwechsel” im Abteil mitbekam. 

Die Landschaft zog dahin, die Tage auch. Vorbei an endlosen Birkenwäldern, scheinbar verfallenen Dörfern und verschneiten Steppenlandschaften. Ein wirklich romantischer Anblick diese Weite, das zu dieser Zeit weisse Land. Stunden habe ich am Fenster gestanden oder gesessen und einfach nur den Anblick der Landschaft genossen. Etwa zwei Stunden vor der Ankunft in Irkutsk -schon ordentlich sibirisch- sah ich Tiere auf einem verschneiten Feld “grasen”. Anfänglich konnte ich nicht genau erkennen, worum es sich dabei handelt. Als der Zug dann an den Tieren vorbei fuhr, erkannte ich eine Herde wilder Pferde. Es müssen an die 30 Tiere gewesen sein, welche in der bitteren Kälte auf einem Feld, welches der Wind halbwegs Schneefrei gefegt hatte, auf Nahrungssuche waren. Diese Beobachtung hat mich tief beeindruckt!

In den späten Abendstunden kam ich dann gestern Sonntag bei -31Grad C in Irkutsk an. Der Schnee unter meinen Füssen knirschte, die Ausatmungsluft der Menschen am Perron hüllte beinhae den Zug in Nebel und meine Nasenlöcher drohten zusammenzufrieren, wenn ich die klirrend kalte Luft zu schnell durch die Nase “einsog”. Eine dünne Mondsichel schimmerte durch den dunstig, nebligen Himmel und ein leichter Niesel schien mit seinen Schneekristallen die Welt verzaubern zu wollen. Ich empfand pures Glück und tiefe Dankbarkeit, dass ich diesen Moment erleben durfte. Der Moment war, so wie nach Hause kommen. Nach Hause an den Ort wo man hingehört.

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7 Gedanken zu “Angekommen im russischen Winter

  1. Liebe Sabine,
    Es wird mir ein Vergnügen sein, eins meiner Bücher für dich zu signieren! Bis dahin werde ich weiter schreiben und weiter reisen 😉

  2. Liebe Susan,
    ich wünsche Dir von ganzem Herzen Alles Alles Gute für Dein neuerliches Abenteuer.
    Bleib Gesund und halt die Ohren steif.

    Ich freu mich schon auf weitere Berichte von dir, ich bewundere Deinen Mut, Ehrgeiz und Tatendrang.

    Bis bald

    lg Nina (Hundeführerin vom Kosovo), (Wien)

  3. Also, liäbi Susan, wänn du mal äs Buäch veröffentlichä tuäsch! Ich het dä gerä eis mit Widmig und handsigniärt! Extrem spannend dini Reisebricht! Grüäßli Sabine

  4. DANKE für deinen interessanten Bericht. Also ich habe eine ganz andere Meinung- zwar auch auf Aussagen anderer basierend. Demnach sind die Russen ein genügsames, einfaches Volk und auch sehr freundlich. Neureiche Schweizer sind meistens auch arrogant und laut, Also was solls.
    -30 C wäre mir eindeutig viel zu kalt. Bei uns ist es zwar momentan auch -19 und richtig wunderbarer, schneeweisser Winter.
    Liebe Grüsse aus der Fleischgasse

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